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How European cities are unlocking their potential by rethinking urban finance
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11 August 2025

Wie europäische Städte ihr Potenzial durch innovative Finanzierungsmodelle entfachen

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Eileen Crowley, EUI Expert / Übersetzt ins Deutsche: Alexander Barnsteiner
Ungeahntes kann passieren, wenn wir uns aus unserer Komfortzone wagen, wenn wir die Bevölkerung an erster Stelle nehmen, Neues ausprobieren und überzeugt sind von unserer Fähigkeit, Verbesserungen herbeizuführen.

Eine alleinerziehende Person, die sich endlich notwendige Renovierungen leisten kann, oder ein Jugendlicher, der seinen ersten Job durch eine von der Gemeinschaft geleiteten Initiative findet. Das sind Begebenheiten, möglich gemacht durch Städte, die zum Innovieren bereit sind.

Quer durch Europa beweisen mutige städtische Politiker:innen, dass Wandel möglich ist, wenn man mit Unterstützung durch die Europäische Kohäsionspolitik offen für Experimente ist, Risiken auf sich nimmt und neue Modelle testet. Von der Revitalisierung vernachlässigter Quartiere bis hin zur Ermächtigung der Bevölkerung durch neue wirtschaftliche Perspektiven: Innovationen in der Finanzierung öffnen neue Türen, die vormals verschlossen waren.

Ein Beispiel ist das Projekt ICCARus in Ghent. Durch einen revolvierenden Fonds für Renovierungen konnten Haushalte mit niedrigem Einkommen dringend benötigte Verbesserungen durchführen, ohne sich verschulden zu müssen. Eine alleinerziehende Mutter konnte so ihr Zuhause energieeffizient sanieren, wodurch wiederum laufende Rechnungen signifikant verringert werden konnten. Gleichzeitig erhöhte die Maßnahme das Wohlbefinden in den eigenen vier Wänden. Verbesserungen wie diese durch machen greifbar, weshalb finanziell innovative Maßnahmen einen hohen Impact haben können.

Im Angesicht akkumulierender Herausforderungen, vom Fehlen leistbarer Wohnungen über Klimawandel bis hin zu sozialer Inklusion, wenden Städte und Gemeinden immer öfter innovative Finanzierungsmodelle (engl.: innovative financing schemes, IFS) an. Sie ermöglichen Alternativen zu traditionellen Förderprogrammen und Kommunalbudgets. Die Studie der European Urban Initiative (EUI) ‘Bridging the Gap – Exploring Innovative Financing Schemes in European Cities’ demonstriert auf Basis von zwölf Urban Innovative Actions (UIA) Fallstudien, wie Städte EU-Fördermittel einsetzen, um ihre finanziellen Ökosysteme zu transformieren und dadurch urbane Innovation fördern.

Die Studie untersucht mögliche Wege, Ressourcen zu mobilisieren, zu verwalten und zu verteilen. Sie ist aber mehr, sie ist ein Aufruf, aktiv zu werden. Stadtplaner:innen in ganz Europa sind dazu eingeladen sich vorzustellen, was passiert, wenn finanzielle Innovation auf urbane Ambitionen trifft. Mit den richtigen Werkzeugen, Partnerschaften und dem richtigen Mindset können Kommunen sich in eine führende Rolle begeben und aus einem Mangel heraus kreative Lösungen finden. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt für Experimente, zu teilen, aber auch zu scheitern und daraus zu lernen: für nachhaltige finanzielle Lösungen, die der Gemeinschaft effektiver dienen.

Die Rolle von Städten - von Administration zu Koinvestition

WISH MI project

WISH MI project

Eine der wichtigsten Lektionen der Studie ist, dass Städte, die ihre Ziele wirklich erreichen möchten, mehr als einfache Fördermanagerinnen sein müssen. Stattdessen brauchen sie das Wissen, um kompetente und ambitionierte finanzielle Architektinnen zu werden. EU-geförderte Projekte wie WISH MI in Milan oder To-nite in Turin sind Beispiele dafür, wie sich das Selbstverständnis von Stadtregierungen verändert. Anstatt dass finanzielle Dienste direkt organisiert und abgewickelt werden, fördern und pflegen Städte Netzwerke und koordinieren Partnerschaften zwischen NGOs, der Bevölkerungen und Betrieben, wodurch finanzielle uns soziale Ressourcen besser genutzt werden.

TO NITE project

TO NITE project

Die aktuellen Herausforderungen, welche Städte bewältigen müssen, bedeuten, dass Städte über die Grenzen der traditionellen Gemeindefinanzierung hinweg über neue Finanzierungsquellen und den eigentlich Wert eines Investments nachdenken müssen. Helfen tut dabei die Europäische Kohäsionspolitik.

Gemeinden haben einzigartige Assets wie Vertrauen, Netzwerke und die Fähigkeit, verschiedene Stakeholdergruppen zusammenzubringen. Städte können dies mobilisieren, um Gelder anzulocken und zu koordinieren, und das auf eine Art, die nur wenigen Akteur:innen vorbehalten bleibt. Wenn Städte einmal diesen Schritt wagen, hat das oftmals nicht nur einen finanziellen, sondern auch einen sozialen und ökologischen Mehrwert. Darüber hinaus kann so das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung gestärkt werden.

In dieser neuen Rolle müssen Städte ihr Wissen um Finanzen kultivieren, Risiken akzeptieren und Raum für Innovationen bieten. Qualitäten, die immer mehr Voraussetzung für die städtische Politik werden.

Innovative Finanzierungsmodelle aus UIA Feldstudien

Die UIA Studie zu innovativen Finanzierungsmodellen baut auf den Erfahrungen auf, die Städte mit pilothaften Finanzierungsmechanismen gemacht haben. Diese setzten sich zum Beispiel mit lokalen virtuellen Währungen, kooperativen Communitymodellen, revolvierenden Fonds, Belohnungsmodellen, öffentlich-privaten Partnerschaften, innovativer Beschaffung und Social Credit Konzepten auseinander. Umgesetzt wurden diese in Klein- wie auch Großstädten, die auf unterschiedlichste Weise alternative Finanzierungsmöglichkeiten anwenden und Veränderung vorantreiben.

IA project

IA project

Lokale virtuelle Währungen wurden von Heerlen (WESH), Antwerpen (Antwerp Circular South) und Viladecans (Vilawatt) zur Erreichung verschiedener Ziele genutzt. So wurde etwa die gesellschaftliche Verantwortung für öffentliche Räume gefördert, die Reduktion des Energieverbrauchs unterstützt und mit Investments in gemeinschaftliche Energieprojekte gekoppelt sowie nachhaltige Verhaltensweisen und lokale Unternehmen unterstützt.

IA project

IA project

Gemeinschaftliche kooperative Modelle wurden zum Beispiel in Brüssel geschaffen (CALICO), wo eine gemeinschaftliche treuhänderische Verwaltung von Land (engl. Community Land Trust, CLT) aufgesetzt wurde, um langfristig leistbaren Wohnraum durch kollektiven Besitz zu ermöglichen. In Antwerpen (Antwerp Circular South) wurde neben der lokalen Währung eine Energiekooperative entwickelt, wodurch die Bevölkerung in grüne Infrastruktur mitinvestieren konnte.

Das Projekt ICCARus in Ghet nutzte eine revolvierende Förderstruktur und machte energieeffiziente Sanierungen für Haushalte mit niedrigem Einkommen möglich.

Die Stadt Prato entwickelte die App ‚greenApes‘, welche nachhaltiges Verhalten mit Belohnungen im Projekt Prato Urban Jungle quittiert. Milan währendessen verwendete ebenfalls ein Belohnungsschema: das Projekt WISH MI bot digitale Coupons für Familien mit niedrigem Einkommen für außerschulische Bildungsmaßnahmen und Wellnessangebote.

Ressourcen aus dem privaten Sektor wurden auch in Rotterdam mobilisiert. Die Stadt verwendet Einnahmen durch Strafzahlungen von Firmen wegen nicht erreichten sozialen Obligationen bei öffentlichen Vergaben, um Beschäftigungsinitiativen für junge Menschen zu finanzieren. Durch das innovative Sozialkreditsystem Rikx können Firmen allerdings auch in soziale Projekte investieren, anstatt Vorgaben zu erfüllen, die durch soziale Verpflichtungsklauseln in öffentlichen Verträgen festgeschrieben wären.

Klassische Förderungen können vor allem dann zusätzlichen Mehrwert schaffen, wenn sie mit anderen Finanzquellen kombiniert oder in Ergänzung zu ihnen gestaltet werden. Turin machte das mit dem Projekt “To-nite” vor. Ein mit der Community aufgestellter Fördertopf unterstützte lokale NROs, welche sich aktiv um mehr Sicherheit in der Stadt bei Nacht einsetzten. Windau und Wolmar in Lettland betrieben einen lokalen Fördertopf für Innovation (ZILE), der Startups und Entrepreneurs durch ihr UIA-gefördertes NextGen Microcities Projekt zugutekam.

Was sind die fünf wichtigsten Take-Aways für die Stadtplanung und -entwicklung?

1. Ziviles Engagement als Erfolgsfaktor: Projekte wie WESH oder CALICO zeigen, das gemeinschaftliche Umsetzung mit der Bevölkerung den kollektiven Sinn für den gemeinschaftlichen Besitz stärkt und zu besseren Ergebnissen führt. IFS waren vor allem dann erfolgreich, wenn partizipative Gestaltung ein Teil im Prozess war.

2. Neue Rollen für Gemeinden: Städte wie Milan und Turin definieren ihre Rollen neu, indem Dienstleistungen an ein Netzwerk aus NGOs und Betrieben umgelagert werden. Anstelle von Dienstgeberinnen sind sie nun jene, die den Prozess orchestrieren.

3. Technologie in der Umsetzung:  Digitale Werkzeuge sind oft kritische Bestandteile in der Entwicklung von IFS oder in der Skalierbarkeit von Projekten. Kommunale Angestellte wie auch Projektpartner:innen müssen über das notwendige Wissen verfügen, um komplexe Angebote wie digitale Coupons, Crowdfunding-Plattformen oder Blockchain-Technologie zu meistern. In der Entwicklung von IFS wie in den Projekten MILMA oder WISH MI war die technische Expertise von Projektpartner:innen ausschlaggebend, um die technischen und legalen Hürden erfolgreich zu meistern.

4. Nachhaltigkeit und Skalierbarkeit: Revolvierende Fonds (ICCARus), kooperative Modelle (Antwerpen) und strategische Integrationen (Vilawatt in Viladecans 2030) illustrieren, dass IFS durch das Einbetten in breiter ausgelegte Strategien deren Überleben ermöglicht.

5. Rechtliche und politische Unterstützung sind wichtig: Rotterdams Erfolg mit BRIDGE war möglich, weil es auf der nationalen Ebene den legislativen Rahmen für soziale Obligationen in der öffentlichen Vergabe gibt. Es ist ein starkes Indiz dafür, wie wichtig der rechtliche Rahmen und Mehrebenen-Governance für urbane Innovation sind.

Conclusio - der Mehrwert finanzieller Innovation

Diese UIA-Feldstudien zeigen eindeutig, dass innovative Finanzierung kein abstraktes Konzept ist, sondern ein greifbares Set an Tools mit welchem Städte effektive Antworten auf aktuelle Herausforderungen liefern können. Städte können mit dem selben finanziellen Aufwand ihrerseits mehr erreichen, private sowie gesellschaftliche Mittel nutzen und zielgerichtete, skalierbare Lösungen präsentieren.

Für eine Stadtpolitik, die bereit für mutige Veränderungen ist, zeigen diese Beispiele, dass es die Werkzeuge für diese Veränderungen bereits gibt und ihre Zeit auch gekommen ist. Sei es durch lokale Währungen, übersektorale Partnerschaften oder digitale Innovation: Städte können ihre finanzielle Zukunft in die ihre Hand nehmen. Jeder Euro zählt – so auch jede Idee.

Wenn Ihre Stadt noch keine alternativen Finanzierungsmodelle in Erwägung gezogen hat, ist jetzt ein guter Zeitpunkt. Starten Sie einen Piloten, suchen Sie Kontakt zu anderen Städten, holen Sie sich weitere Perspektiven an Bord und hinterfragen Sie eigene Annahmen. Die größte Gefahr geht von der eigenen Untätigkeit aus.

In der Mitte jedes Modells steht eine Person, dessen Leben verbessert werden kann: Leistbares Wohnen für Familien, Chancen für junge Menschen oder eine Nachbarschaft, die plötzlich wieder zum Leben erwacht: Das sind die Ergebnisse, auf die es ankommt. Und sie kommen mit dem Mut, was Neues auszuprobieren.

EUI Capacitação

CB

Schauen Sie sich Programme wie die City-to-City Exchanges der EUI an, um direkt von Peers zu lernen. Vermeiden Sie, das Rad neu zu erfinden: egal ob revolvierende Fonds oder lokale Währungen. Diese Städte haben es gemacht und sind bereit, ihr Wissen zu teilen.

Die EUI wird auch weiterhin experimentelles Herangehen, Hochskalieren und Peer Learning in europäischen Städten unterstützen. Der Weg in die Zukunft ist klar: Finanzierung sollte nicht als limitierender, sondern als unterstützender Faktor für Innovation gesehen werden. Für bessere und gerechtere Städte. Ist Ihre Stadt bereit?