Image
Dr. René Peter Hohmann (DV) im Gespräch mit Jonas Scholze (EUI)
Neuigkeiten
17 April 2024

Die Europäische Stadtinitiative - jung, aber fester Bestandteil der städtischen Dimension in den EU-Strukturfonds

Profile picture for user Luis@urban-initiative.eu
Dr. René Peter Hohmann
Ein Gespräch zwischen Jonas Scholze (Referatsleiter, Zwischenstaatliche Kooperation der Europäischen Stadtinitiative) und Dr. René Peter Hohmann (Leiter EU-Büro Brüssel, DV) zur Neuen Stadtinitiative der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission hat letztes Jahr den Startschuss für die sogenannte „European Urban Initiative“ (EUI) gegeben, also die Europäische Stadtinitiative. Die EUI erfindet das Rad nicht neu, sondern bündelt vielmehr vorhandene Förderungen und Programme. Welchen Vorteil hat das generell und speziell für die Städte bzw. Antragsteller? Wie ist das Verhältnis von URBACT und der EUI?

In Europa haben sich in der Tat in den vergangenen zehn Jahren eine Vielzahl städtischer Programme, Initiativen und Steuerungsmechanismen entwickelt. Seit Beginn der Förderperiode 2021-2027 werden diese unter dem Dach der Europäischen Stadtinitiative gebündelt. Kommunen haben dadurch den Vorteil, dass sie eine einzige Anlaufstelle für die verschiedenen Angebote haben. Die einzelnen Angebote der EUI werden konzeptionell zusammengedacht und möglichst viele Schnittstellen zwischen dem Förderprogramm „Innovative Actions“, der Urbanen Agenda für die EU sowie dem Erfahrungsaustausch geschaffen. Ideen, Erfahrungen, Projektergebnisse und Förderangebote aus einzelnen Projekten und Aktivitäten können somit viel besser gebündelt und an andere Kommunen weitergebeben werden. Das wäre bei einem Nebeneinander verschiedener Programme und Verantwortlichkeiten sicherlich schwieriger.

URBACT ist ein sehr erfolgreiches EU-Förderprogramm und kann auf wertvolle Erfahrungen im europäischen Erfahrungsaustausch städtischer Netzwerke zurückblicken. Beide Programme stehen in regelmäßigem Austausch, um Angebote für Kommunen zu ergänzen, anzupassen und Synergien zu erzeugen. Um die Angebote beider Programme den Kommunen effektiver zu kommunizieren, wurden in allen Mitgliedstaaten nationale Anlaufstellen geschaffen. URBACT und EUI haben in fast allen Mitgliedstaaten, z. B. in Deutschland, eine gemeinsame Anlaufstelle.  

Welche zentralen Themen stehen im Fokus der Europäischen Stadtinitiative und wie können sich deutsche Kommunen an ihr beteiligen?

Die EUI verfolgt zwei verschiedene Ansätze. Das eine ist die Förderung im Rahmen des Programms „Innovative Actions“ . Für 2024 ist ein weiterer Call geplant. Pro Projekt wird für die Umsetzung innovativer Projekte eine Förderung von fünf Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) geboten, die Kofinanzierungsrate beträgt dabei 80 Prozent. Voraussetzung ist, dass es sich um ein Projekt handeln muss, das tatsächlich umgesetzt wird. Es muss über eine reine Konzeptionalisierung hinaus gehen.

Das zweite ist der Bereich des sogenannten „Capacity Building“, der die Möglichkeit eines direkten Austausches zwischen Städten bietet. Dazu zählen die Formate „City-to-City-Exchange“ und die sogenannten „Peer Reviews“. Beim City-to-City-Exchange können sich zwei Städte bei Vor-Ort-Besuchen untereinander zu drängenden Herausforderungen austauschen. Der Call dafür ist permanent geöffnet und damit sehr flexibel. Die Themenvielfalt ist hier sehr groß und hängt von den tatsächlichen Bedarfen vor Ort ab. Das Angebot der „Peer Reviews“ richtet sich vor allem an Städte, die eine integrierte Strategie im EFRE erstellt haben und umsetzen. Sie können sich zu einem fachlichen Aspekt, wie zum Beispiel technischen Fragen in der Umsetzung einer EFRE-Stadtentwicklungsstrategie, bei dem sie noch Hürden sehen, aber vorankommen möchten, Kolleg:innen aus bis zu sechs anderen europäischen Städten einladen und von deren Expertise profitieren.  Dieser Austausch wird durch die EUI gefördert. 

EUI bietet den Mitgliedstaaten durch spezielle Angebote z.B. für EFRE-Verwaltungsbehörden auch den Blick über den Tellerrand. Der fachliche Austausch zu bestimmten Aspekten der EU-Förderung (z.B. zur Umsetzung territorialer Instrumente) wäre hier denkbar. Die Teilnahme an den Partnerschaften der Urbanen Agenda für die EU erfolgt ebenfalls über jährliche Aufrufe. Im Schnitt starten pro Jahr zwei neue Thematische Partnerschaften. sowie den Vertretern der interministeriellen Arbeitsgruppen für Stadtentwicklung auf EU-Ebene definiert Auch hier können deutsche Kommunen profitieren. Für den Spätsommer 2024 sind zwei neue Calls für die Themen „Wassersensible Stadt“ und  „Dekarbonisierung von Wohnraum, lokale Heiz- und Kühlpläne“ geplant.

Inwiefern trägt die EUI zur Umsetzung der Neuen Leipzig-Charta bei?

Die Neue Leipzig-Charta ist das konzeptionelle Leitdokument zur nachhaltigen Stadtentwicklung in Europa, das von allen EU-Mitgliedstaaten und EU-Institutionen mitgetragen wird. Auch die Europäische Stadtinitiative greift verschiedene Aspekte dieses gemeinsamen Leitbildes auf. Die Neue Leipzig-Charta spricht von der transformativen Kraft der Städte, sie appelliert an eine Stärkung der Handlungsfähigkeit von Kommunen und fordert einen „stadtverträglichen“ Finanzierungs- und Rechtsrahmen auf europäischer Ebene. Fangen wir mit dem letzten an. Eine Kernaufgabe der EUI ist beispielsweise die Unterstützung der Urbanen Agenda für die EU. Die EUI unterstützt den Vorbereitungsprozess und das Auswahlverfahren für neue Thematische Partnerschaften und begleitet den gesamten Umsetzungsprozess. Die Förderung des direkten Erfahrungsaustausches von Städten sowie die fachliche Unterstützung für Kommunen bei der Aufstellung und der Umsetzung von Stadtentwicklungsstrategien im Rahmen der EFRE-Förderung tragen zur Stärkung der kommunalen Handlungsfähigkeit bei. Die Neue Leipzig-Charta spricht von Städten als Motor von Innovation. Auch hier versuchen wir, durch die „Innovative-Actions“-Förderung europaweit einen Beitrag zu leisten. 

Was bedeutet die EUI für die europäische Stadtentwicklungspolitik und die Rolle der Städte? Welche Auswirkungen könnte die EUI künftig für die „Städtische Dimension“ in den Strukturfonds haben?  

Die EUI ist im Gesamtgefüge der EU-Förderung noch ein sehr junges Programm und dennoch ein fester Bestandteil der städtischen Dimension der EU-Strukturfonds. Die EFRE-Förderung ist für viele deutsche Kommunen ein sehr wichtiger Bestandteil der Stadtentwicklung. Die Umsetzung und der Erfahrungsaustausch bleiben aber meist auf nationaler oder gar regionaler Ebene stecken. Hier versucht die EUI einen europäischen Mehrwehrt zu schaffen. Die Nachfrage nach diesen Angeboten ist europaweit in den ersten beiden Jahren spürbar angestiegen und zeigt uns, dass hier ein großer Bedarf besteht, sich auch mit Kommunen aus anderen europäischen Ländern zur EFRE-geförderten Stadtentwicklung auszutauschen.

Die Möglichkeit der Mitwirkung von Städten aller Größenordnungen im europäischen Integrationsprozess ist von großer Bedeutung. Denn letztlich sind es die Kommunen und Gemeinden vor Ort, in denen die zentralen Herausforderungen der EU vor Ort zu spüren sind und gelöst werden müssen. Mit der Urbanen Agenda für die EU haben sich EU-Institutionen und Mitgliedstaaten auf einen Partizipationsmechanismus geeinigt. Diesen technisch zu unterstützen ist eine Kernaufgabe der EUI.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung ist die Deutsche Kontaktstelle für URBACT sowie der Europäischen Stadtinitiative. Für Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.